Weshalb leugnen Menschen den Klimawandel?

Katrin Piecha Dezernat 8 – Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Biegen sich Leugner des Klimawandels die Fakten zurecht, um ihr klimaschädliches Verhalten nicht ändern zu müssen? Eine neue Studie findet für diese These keine Anhaltspunkte. Forscher der Uni Bonn und des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) hatten ein Online-Experiment durchgeführt, um der Antwort auf die Spur zu kommen. Teilnehmende waren 4.000 Erwachsene aus den USA. Von den Ergebnissen waren die Studienautoren selber überrascht. Ob sie für den Kampf gegen die Erderwärmung eine gute Nachricht sind oder eine eher schlechte, ist noch unklar. Die Studie erscheint in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“. 

Erstaunlich viele Menschen spielen die Folgen des Klimawandels herunter oder leugnen, dass er primär von unserer Spezies verursacht wurde. Warum ist das so? Eine Hypothese lautet, dass diese Fehlwahrnehmungen auf Selbsttäuschung zurück zu führen sind: Es lebt sich einfach leichter mit den eigenen Klimaverfehlungen, wenn man glaubt, dass alles schon nicht so schlimm werden wird. „Der Fachbegriff für diese Denkweise lautet motivated reasoning“, sagt Prof. Dr. Florian Zimmermann, Ökonom an der Universität Bonn und Forschungsdirektor am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA).

Motivated reasoning hilft uns, unser Verhalten zu rechtfertigen: Wer gerne mehrfach pro Jahr in den Urlaub fliegt, kann sich beispielsweise einreden, dass das Flugzeug auch ohne ihn abheben würde oder dass ein einziger Flug keinen Unterschied macht. Oder eben, dass ohnehin nicht bewiesen ist, dass es den menschengemachten Klimawandel überhaupt gibt. All diese Argumentationsmuster sind Beispiele für motivated reasoning. Indem wir die Fakten zurechtbiegen, bis sie uns passen, können wir ein positives Selbstbild bewahren.

Selbstbetrug zur Bewahrung des positiven Selbstbilds

Doch welche Rolle spielt diese Form der Selbsttäuschung für den Umgang mit dem Klimawandel? Wissenschaftliche Belege dazu fehlten bislang weitgehend. Die neue Studie schließt diese Forschungslücke nun – mit einem unerwarteten Ergebnis. Zimmermann und sein Kollege Dr. Lasse Stötzer hatten eine Serie von Online-Experimenten konzipiert. Als Versuchspersonen diente ihnen eine repräsentative Gruppe von 4.000 Erwachsenen aus den USA.

Im Zentrum der Experimente stand eine Geldspende in Höhe von 20 Dollar. Die Teilnehmenden wurden per Zufall zwei verschiedenen Gruppen zugewiesen. Die in der ersten Gruppe konnten die 20 Dollar zwischen zwei Organisationen aufteilen, die sich beide dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben hatten. Die in der zweiten Gruppe konnten sich stattdessen entscheiden, die 20 Dollar nicht zu spenden, sondern für sich zu behalten. Sie bekamen die Summe dann am Ende tatsächlich ausgezahlt. „Wer die Spende für sich behält, muss das vor sich rechtfertigen“, sagt Zimmermann, der auch Mitglied im Exzellenzcluster ECONtribute, im Sonderforschungsbereich/Transregio 224 „Ökonomische Perspektiven auf Gesellschaftliche Herausforderungen“ sowie im Transdisziplinären Forschungsbereich „Individuals and Societies “ der Universität Bonn ist. „Man kann das beispielsweise tun, indem man den Klimawandel in Abrede stellt.“

Tatsächlich entschieden sich fast 50 Prozent der Teilnehmenden in Gruppe 2 dafür, das Geld für sich zu behalten. Die Forscher wollten nun wissen, ob sie diese Entscheidung nun nachträglich rechtfertigten, indem sie den Klimawandel leugneten. Beide Gruppen waren nach dem Zufallsprinzip gebildet worden. Ohne „motivated reasoning“ sollte in ihnen daher eigentlich im Schnitt eine ähnliche Einstellung zur menschgemachten Erderwärmung herrschen. Wenn diejenigen, die die Spende für sich behalten, sich dagegen durch Selbsttäuschung rechtfertigen, müsste in ihrer Gruppe der Zweifel am Klimawandel wachsen. „Diesen Effekt konnten wir jedoch nicht beobachten“, sagt Zimmermann.

Klimaleugnung als identitätsstiftendes Merkmal?

In zwei weiteren Experimenten bestätigte sich dieses Ergebnis. „Wir finden in unserer Studie also keine Hinweise, dass die weit verbreiteten Fehlwahrnehmungen zum Klimawandel auf diese Art von Selbsttäuschung zurückzuführen sind“, resümiert Zimmermann. Auf den ersten Blick ist das für die Politik eine gute Nachricht. Die Ergebnisse könnten nämlich bedeuten, dass sich Leugner des Klimawandels durchaus erreichen lassen – einfach, indem man sie möglichst gut und umfassend informiert. Wenn Menschen sich die Realität zurechtbiegen, ist das dagegen kaum möglich.

Zimmermann gießt jedoch Wasser in den Wein: „In unseren Daten gibt es Anhaltspunkte für eine Variante von motivated reasoning, nämlich dass die Leugnung der menschgemachten Erderwärmung zur Identität bestimmter Gruppen gehört“, sagt er. Manche Menschen definieren sich also möglicherweise ein Stück weit dadurch, den Klimawandel zu leugnen. Diese Denkweise ist für sie ein wichtiges Merkmal, das sie von anderen politischen Gruppen unterscheidet. Was die Forschung zu diesem Thema zu sagen hat, ist ihnen daher vermutlich schlicht egal.

Beteiligte Institutionen und Förderung:
An der Studie waren die Universität Bonn und das Institute on Behavior and Inequality (briq) beteiligt. Das briq ist inzwischen im Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) aufgegangen. Die Arbeiten wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert.

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